Myriam hat schon vieles ausprobiert in ihrem Leben, sowohl privat als auch beruflich. Sie ist in der Elfenbeinküste geboren und kam mit 8 Jahren mit ihrer Mutter in die Schweiz. Schon immer hat sie sich für technische Herausforderungen interessiert. Heute arbeitet sie bei der Post und studiert nebenbei Wirtschaftsinformatik. Wie es dazu gekommen ist, erzählt sie uns im Interview.
Liebe Myriam, erzähl uns ein bisschen was über dich… Wer bist du? Woher kommst du?
Myriam: Ich bin Myriam, 33, und gefühlt sehr viel und doch so wenig erlebt. Ich bin in der Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire) geboren und interessierte mich bereits früh für alles. Von elektronischen Geräten über Bücher und Sprachen, aber auch für Menschen. Ich kann mich noch an ein Gespräch mit meiner damaligen Freundin erinnen, bei dem ich ganz stolz sagte, dass ich schon fünf Sprachen kann und bis 18 soundsoviele lernen werde. Das Ziel habe ich leider noch nicht erreicht (lebenslanges Ziel), die Erinnerung finde ich jedoch ganz «härzig».
Im Jahr 1999, mit 8 Jahren, kamen meine Mutter und ich als politische Flüchtlinge in die Schweiz. Für mich war es ein Abenteuer, ich nahm alles auf, was mir begegnete. Ich verstand erst Jahre später die wahre Bedeutung dieser Transition.
Zwischen dem 16ten und 18ten Lebensjahr folgten weitere bedeutende Einschnitte in meinem Leben. Erstens musste ich für unbestimmte Zeit von meiner damaligen Familie Abschied nehmen, um mir ein stabiles und sicheres Leben zu ermöglichen. Zweitens erlitt ich ein Burnout und musste meine damalige gymnasiale Ausbildung abbrechen.
Ehrlich gesagt, Stabilität im Leben kenne ich erst seit 1-2 Jahren. Aber ich glaube an das Potenzial von Entscheidungen. Wir sehen kaum unmittelbar deren wahren Auswirkungen, aber solange wir sie mit reinem Gewissen treffen, können wir darauf vertrauen, dass die Ergebnisse vorteilhaft sind.
Hossa die Waldfee… schon so viele einschneidende Erlebnisse in deinen frühen Lebensjahren! Welche kostbaren Werte wurden dir von deinen Eltern mitgegeben?
Myriam: Ich würde sagen, das Teilen mit Anderen und die Wichtigkeit der Familie. Auch wenn wir in dieser Hinsicht nicht unbedingt dasselbe Verständnis haben, denke ich, dass wir im Endergebnis auf das gemeinsame Wohl hinstreben.
Die Werte, die mich bis heute prägen, sind Ehrlichkeit, Fairness, Optimismus und Offenheit. Sie wurden mir glücklicherweise immer wieder durch Menschen bestätigt, denen ich begegnete und die mich motivierten, an mich selbst zu glauben.
Dies sind sehr kostbare und erstrebenswerte Werte. Zurück zur Arbeit, wie bist du auf die Innovations- und Techbranche aufmerksam geworden? Was interessiert dich daran?
Myriam: Es war immer ein Hin und Her. Wie erwähnt, wollte ich bereits als Kind immer verstehen, wie Dinge funktionieren und wieso sie sind, wie sie sind. Wenn wir z.B. ein Telefon, Radio oder später einen Computer erhielten, war von Beginn weg klar, wer sich um die Installation kümmern würde. Ich sah es als Rätsel, das ich lösen wollte und es machte mir Spass. Meine schulische Laufbahn war nicht linear, oft wechselnde Lebensverhältnisse und Umzüge erschwerten jedoch eine gezielte Förderung. In der achten Klasse entschied ich mich im Gymnasium – entgegen der Empfehlung meiner Lehrer – für den Schwerpunkt Physik und angewandte Mathematik, ohne wirklich zu wissen, worauf ich mich einliess. Das Gymnasium schloss ich nicht ab, stattdessen arbeitete ich vorübergehend im technischen Support, wo ich meine Begeisterung für das Lösen von Anliegen und das Verständnis von technischen Zusammenhängen erneut geweckt wurde. Es folgte eine Lehre als Fachfrau Kundendialog, wo ich diese Freude in unterschiedlichen Kontexten (Kundensupport, Innovationslabs, Kollaborationslösungen, Marketing) anwenden konnte. So kam ich auch zu meinem aktuellen Team.
In meiner Freizeit hatte ich in meiner Jugend versucht, andere als die nativen OS auf Computern, Notebooks und später Smartphones einzurichten. Im Internet fand man schon damals einfach Anleitungen und Foren. Ich ging aber nie zu weit, denn ich wusste, wenn ich etwas kaputt mache, kenne ich niemanden, der mit weiterhelfen könnte. Und ich konnte mir kein Ersatzgerät leisten. Lizenzen konnte ich mir auch nicht leisten, und so fand ich Open Source Lösungen. Komischerweise habe ich dies noch nie in einem Motivationsschreiben erwähnt 🙂
Erst nach jahrelangem Hin und Her und Ablegen einiger Zweifel an meinen Kompetenzen (keine Rolemodels, mehrfache Abbrüche, etc.) entschied ich mich für das Studium der Wirtschaftsinformatik an der BFH. Ein Studium, das mir bis heute Spass macht.
Zusammenfassend würde ich sagen, dass meine Neugier und Experimentierfreude mich in diese Branche gebracht haben. Es ist nie langweilig, kein Tag gleicht dem anderen und es gibt vieles zu entdecken.
Das klingt nach einer grossen Entdeckungsreise. Dein Mut, immer wieder etwas Neues auszuprobieren, ist faszinierend. Was ist dein Motor, was treibt dich bei der Arbeit?
Myriam: Rätsel finden, Lösungsvarianten ermitteln und ausprobieren, daraus lernen, sowie Begegnungen auf Augenhöhe.
Worauf bist du besonders stolz?
Myriam: Ich bin besonders stolz auf meine Freunde und alle Menschen, die mich bisher irgendwie unterstützt haben, ob bewusst oder unbewusst. Mit Blick in die Zukunft bin ich ebenso stolz auf mein aktuelles Studium.
Was war sonst deine bisher grösste Herausforderung in deinem Job und wie hast du sie gemeistert?
Myriam: Zu erfahren, dass wir z.T. die Welt, sowie Begriffe sehr unterschiedlich wahrnehmen und interpretieren, auch wenn sie uns offensichtlich erscheinen. Ich war anfangs sehr überrascht über solch unterschiedliche Wahrnehmungen der Sachlagen und deren potenziellen Folgen. Ich suchte dann das Gespräch, um die andere Perspektive besser zu verstehen, und verstand, dass auch Missverständnisse im Raum waren. Diese konnten geklärt werden. So wurde das gegenseitige Vertrauen und die weitere Zusammenarbeit bestärkt.
Diversität und deren Vorteile und Herausforderungen in paar wenigen Sätzen zusammengefasst 😉 Welche Ratschläge gibst du anderen Frauen in Innovation und Tech?
Myriam: Wenn du hinter einer Entscheidung mit reinem Gewissen stehen kannst, dann folge ihr. Du kannst nicht verlieren, sondern nur daraus lernen.
Für den nächsten Teil möchten wir von dir kurz und knapp wissen, was dir zu den genannten Begriffen als Erstes in den Sinn kommt.
Diversität
Myriam: Es besteht die Gefahr, dass es in Kategorien versinkt. Diversität ist die Norm.
Zukunft
Myriam: Jetzt
Frauen in Tech
Myriam: Wird zur Norm.
Algorithmen
Myriam: Scheinbare Präferenzen
Internet of Things
Myriam: Networks
Job-Sharing
Myriam: Smart Economy
Pflege-Roboter
Myriam: Bin noch nicht soweit.
Danke dir! Und nun noch ein paar “entweder… oder” Fragen. Wofür entscheidest du dich bei den folgenden Begriffen (Myriams Antwort ist fett dargestellt).
Online oder Face to Face?
Künstliche Intelligenz oder Menschliches Gehirn?
Digital oder Analog?
Urne oder e-Voting?
Cocktail oder Bier?
Das war’s schon. Vielen Dank, Myriam, dass wir einen Einblick in dein Leben werfen durften. Du bist ein echtes Vorbild! Ich wünsche dir alles Gute für deine berufliche und private Zukunft.