In gemütlicher Atmosphäre mitten in der Altstadt trafen wir uns im Klub am Bärenplatz. Raphael und Estelle von Bracher & Partner haben zusammen mit mir (Brigitte) erzählt, wie sie den Cyberangriff erlebt haben: Von Schockmomenten, Geduldsproben, Existenzängsten, Galgenhumor, Glück im Unglück und einigen praktischen Tipps war alles dabei. Hier ein Rückblick.
Die Überraschung im Publikum
Als wir Be Like Grace gegründet haben, sagten wir uns: Wenn eine 50:50-Quote an einem Event mal der Standard ist, dann braucht es uns nicht mehr, dann haben wir unser Ziel erreicht. Und nun siehe da: Wir haben es fast geschafft: Kaum hatten wir die Einladungen für den Event versandt, meldeten sich nicht nur viele Frauen aus unserer Community an, sondern auch noch eine Reihe Männer… rund ein Drittel des Publikums. Und was für eine tolle Stimmung das war! Spannende Gespräche, neue Inspiration und eine entspannte und gemütliche Stimmung! So fägts! Woran lag’s? Am Thema? Am Zeitgeist? Am Sponsor? Das Geheimnis haben wir noch nicht gelüftet, aber wer weiss, vielleicht wird das ja der neue Standard! Mich würd’s freuen 🙂
Das Team
Raphael und Estelle haben zusammen mit mir die Erfahrungen des Cybervorfalls erzählt. Eine echt emotionale Achterbahnfahrt für uns alle. Die Rollenverteilung war klar: Raphael ist Rechtsanwalt, Mitglied der Geschäftsleitung und IT-Verantwortlicher von Bracher & Partner. Mit seinem Team war er von der ersten Sekunde an gefordert: Führungsverantwortung übernehmen, Team zusammenhalten, rechtliche Fragen klären und Liquidität sicherstellen. Und das über Monate! Ein echtes Meisterwerk. Estelle ist erst im Herbst 2023 zu Bracher und Partner dazugestossen. Wir steckten zwar noch mitten im Vorfall drin, hatten die «wilde Phase» der Achterbahnfahrt aber bereits durch und mussten uns mit der administrativen Aufarbeitung beschäftigen. Mit ihrer langjährigen Erfahrung als Rechtsanwältin – auch im Rechtsschutzbereich – hatte sie den kühlen Kopf und den Durchblick. Meine Rolle in dem Vorfall war die externe Begleitung aus der Perspektive der IT. Fachlich und technisch anspruchsvoll, sehr lehrreich und ich hatte den Vorteil, zwar involviert und betroffen zu sein, aber nicht mit Existenzängsten kämpfen zu müssen. Das hat die ganze Geschichte für mich einfacher gemacht.
Die Learnings
Der Vorfall ist nun 8 Monate her. Zwar haben wir noch nicht alles überstanden, und doch ist schon etwas Zeit vergangen, um die Geschichte aus etwas Distanz zu betrachten. Hier die wichtisten Learnings:
📣 Führung und interne Kommunikation: Ein Cybervorfall ist eine aussergewöhnliche Situation. Nicht alle Menschen können gleich gut mit solchen Situationen umgehen. Umso wichtiger ist gute Führung und eine klare Kommunikation. Bracher & Partner hat von Anfang an auf einen militärischen Führungsstil zurückgegriffen: Klare Ansagen, klare Erwartungen, klare Hierarchien. Ob es militärisch sein muss oder nicht, ist wohl auch ein wenig abhängig von der Firmenstruktur. Was unbestritten wichtig ist, sind klare Verantwortlichkeiten und Erwartungen. Und das gesamte Team muss diese mittragen. Wir haben zu Beginn 2x täglich eine Taskforce Sitzung abgehalten und so den Kommunikationsfluss sichergestellt.
⏰ Jede Sekunde zählt: Zu Beginn war eines wichtig: Die Erreichbarkeit sicherstellen. Mitarbeitende und Kunden müssen gleichermassen erreicht werden können. Sei es Mailboxes, Telefonie oder andere Kommunikationskanäle: Erreichbarkeit ist zentral und gibt sicherheit. So haben wir noch am Pfingstwochenende provisorische Mailboxes eingerichtet. Bracher & Partner war keinen Arbeitstag «offline» – was uns grosse Sicherheit gegeben hat.
🕸️ Das Netzwerk: Auf wen kannst du zählen, wenn’s darauf ankommt? In einem solchen Vorfall bringt es nichts, wenn die Expertinnen und Experten nur werktags von 9 bis 5 erreichbar sind. Jede Sekunde zählt. Und da braucht es Vertrauenspersonen, die auch ausserhalb der Bürozeiten erreichbar sind. IT-Expert:innen, Kommunikationsexpert:innen, Unternehmer:innen und viele mehr helfen in solchen Situationen. Nicht nur um die unmittelbaren Probleme zu lösen, sondern auch für den Austausch, Zweitmeinungen, Erfahrungsberichte und vieles mehr. Ein gutes Netzwerk gibt Sicherheit. Auf wen kannst du im Extremfall zählen?
💰 Liquidität sicherstellen: Niemand weiss, wie lange so ein Vorfall dauert. In unserem Fall konnten über einen längeren Zeitpunkt keine Rechnungen verschickt werden. Und doch warten 40 Mitarbeitende auf ihren Lohn Ende Monat. Auch sonstige Fixkosten lassen sich nicht einfach verschieben. Die Liquidität für ein KMU kann unter Umständen schnell und arg strapaziert werden. Es empfiehlt sich also frühzeitig einen Plan B vorzubereiten, natürlich in der Hoffnung, diesen nie zücken zu müssen.
⌛️Geduld: Anfangs gibt es fast stündlich irgendwelche News: «Es geht was». Dann nach und nach werden die Neuerungen weniger und weniger, und doch funktioniert noch über eine lange Zeit nicht alles. Besonders das Ausliefern der Daten hat seine Zeit in Anspruch genommen. Und wir wussten nicht, wann alles wieder funktionieren würde. Die Geduldsprobe hat das ganze Team arg beansprucht. Und so schliesst sich der Kreis wieder: Gute Führung ist in diesem Fall zentral.
Das Fazit
Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen und hatten viel Glück im Unglück. Dass Bracher & Partner den IT-Dienstleister eh wechseln wollte, hat uns im Vorfall extrem geholfen: Die Verträge mit dem neuen Dienstleister waren bereits unterzeichnet, und die Hardware ist kurz vorher eingetroffen. Das hat uns Zeit verschafft.
Ist der erste Schockmoment einmal verdaut, beginnt die Achterbahnfahrt. Anfangs ist Vieles noch aufregend, irgendwann kommt die Realisierung, dass es eine Weile dauern wird. Da starten die Existenzängste. Kommunikation ist zentral. Und gerade für Führungspersonen manchmal auch eine Zerreissprobe: Der Belegschaft gegenüber muss klar kommuniziert werden, Zuversicht gezeigt werden: Einen breiten Rücken zeigen und eine Schulter zum Ausheulen bieten. Die eigenen Existenzängste nicht auf die Mitarbeitenden übertragen und klare und pragmatische Lösungen verfolgen. Humor ist ein wichtiger Faktor, für alle! Zwar die Sache ernst nehmen, aber daran nicht zerbrechen. Auch mal Witze machen und gemeinsam drüber lachen, war ein zentrales Element für uns alle. Und zum Ende: Die Geduldsprobe… der Umgang mit der Ungewissheit, selber nichts beeinflussen können: Das muss gelernt sein.
Heute können wir alle aufatmen, über die Situation und über uns selber staunen. Uns freuen darüber, wie gut wir schliesslich alles überstanden haben.
Ein grosses MERCI an das Team von Bracher & Partner dafür, dass…
a) … ich so viel Vertrauen von ihnen geschenkt erhalten habe und mit ihnen zusammen diesen Vorfall erarbeiten durfte und
b) … ihr so mutig seid, heute auch darüber zu sprechen. Ihr habt Vorbild-Charakter und zeigt Mut! Danke dafür.